Rassismus an Schulen: Das sollten Lehrer wissen

Unter dem Hashtag #MeTwo berichteten im vergangenen Jahr Tausende Twitter-Nutzer über Alltagsrassismus in Deutschland. Viele Postings verdeutlichten, dass Diskriminierungserfahrungen in der Schule keine Seltenheit sind. So berichteten die Nutzer von abfälligen Kommentaren durch Lehrende, an die sie sich auch Jahre später noch erinnern konnten:
Unter dem Hashtag #MeTwo berichteten im vergangenen Jahr Tausende Twitter-Nutzer über Alltagsrassismus in Deutschland. Viele Postings verdeutlichten, dass Diskriminierungserfahrungen in der Schule keine Seltenheit sind. So berichteten die Nutzer von abfälligen Kommentaren durch Lehrende, an die sie sich auch Jahre später noch erinnern konnten:
Rassismus an Schulen: Das sollten Lehrer wissen
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„‚Ist doch egal, auf welche Schule Ihr Sohn geht. Er übernimmt doch sowieso später die Bar.‘ Die Lehrerin meines Nachhilfeschülers zu den italienisch-polnischen Eltern.“ „Schule. Mein Freund fragt etwas. Mathelehrer antwortet: Lern erst mal Deutsch, bevor du etwas fragst.“

Andere Schüler berichteten, dass sie wegen ihrer Namen gehänselt wurden, Lehrer ihnen kein Studium zugetraut hätten oder ihnen bei gleichen Leistungen eine schlechtere Note in Deutsch als den Mitschülern gegeben hätten – mit der Begründung, dass sie eben keine Muttersprachler seien.

Die Debatte verdeutlicht, dass Lehrer in der Verantwortung sind, sensibel mit dem Thema Vielfalt umzugehen. Das gilt insbesondere deswegen, weil von elf Millionen Schülern in Deutschland mittlerweile jeder Zehnte keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt; jeder Dritte hat einen Migrationshintergrund. Pädagogen sehen sich also immer häufiger kulturell vielfältigen Klassen gegenüber. Wir verraten in diesem Artikel, was Studien über Diskriminierung an deutschen Schulen verraten und worauf Lehrer achten sollten.

Der Einfluss von Vorurteilen auf Leistungen

In den USA befassen sich Wissenschaftler schon lange mit ethnischen Minderheiten an Schulen. In Deutschland steckt dieser Forschungsstrang laut Sabine Glock vom Institut für Bildungsforschung an der Universität Wuppertal noch in den Kinderschuhen. Gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit sagte sie, dass Kinder mit einem Migrationshintergrund erst nach dem sogenannten Pisa-Schock Einzug in die Forschung gefunden hätten.

In einer ihrer eigenen Studien legte Sabine Glock Lehrern fiktive Schülerbeschreibungen vor. Obwohl die Fähigkeiten der Schüler laut dieser Beschreibung gleich gut waren, stuften die Lehrer die Sprachkompetenz der Schüler mit türkischem Namen schlechter ein als die ihrer Mitschüler. Durch Tests fand sie zudem heraus, dass Lehrer und Lehramtsstudenten gegenüber Schülern mit Migrationshintergrund negativer eingestellt sind als gegenüber einer Vergleichsgruppe. Anders sei das bei Lehrern, die selbst einen Migrationshintergrund hätten oder in der Vergangenheit deutlich stärker Kontakt zu Kindern aus entsprechenden Familien hatten.

Auch eine Studie, die am Lehrstuhl Pädagogische Psychologie der Universität Mannheim entstanden ist, weist auf einen solchen Zusammenhang hin. Die Forscher legten Lehramtsstudenten Diktate vor, die Fehler an gleichen Stellen aufwiesen.

Einige Diktate waren jedoch vorgeblich von einem Jungen namens Max verfasst worden, andere stammten von einem Jungen namens Murat. Im Ergebnis bewerteten die Studierenden den fiktiven Schüler Murat im Durchschnitt eine halbe Note schlechter als Max. Zuvor hatte das Team bereits die Mathematiknoten von 1.500 Gymnasiasten zwei Jahre lang regelmäßig überprüft und war dabei zum Ergebnis gekommen, dass Kinder aus Migrationsfamilien bis zu einer halben Note schlechter bewertet worden waren – trotz gleicher Rahmenbedingungen wie Sprachfähigkeiten und sozialer Herkunft und gleichen Leistungen. Die Studien weisen also darauf hin, dass Lehrkräfte geringere Leistungen von Schülern mit Migrationshintergrund erwarten. Doch welchen Einfluss haben ihre Erwartungen auf den Bildungserfolg von Kindern? Diese Frage stellten die Macher der Studie „Vielfalt im Klassenzimmer“ des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) und des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration aus dem Jahr 2017. Dabei fanden sie heraus, dass Lehrer gegenüber türkeistämmigen Erstklässlern niedrigere Erwartungen haben, selbst wenn sie objektiv die gleichen Leistungen bringen. Dabei sei die Erwartung an ein Kind ein wichtiger Faktor für seinen Lernerfolg. „Wer hohe Erwartungen an ein Kind hat, investiert in dieses mehr Zeit, lässt ihm mehr Förderung zukommen“, sagte Tim Müller vom BIM gegenüber der Zeit. Ein weiteres Problem ist, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund die negativen Stereotype verinnerlichen und sich seltener gute Leistungen zutrauen, eher gestresst sind und schneller aufgeben.

Vorurteile im Klassenzimmer

Die gute Nachricht vorweg: Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung weisen Lehrer tendenziell liberalere Einstellungen zu den Themen Zugehörigkeit und Religionspolitik auf und stimmen seltener negativen Pauschalisierungen gegenüber Muslimen zu. Zu dieser Erkenntnis kommt die Studie „Vielfalt im Klassenzimmer“, die hierzu Daten aus dem Forschungsprojekt „Deutschland postmigrantisch“ auswerteten, für das bundesweit 8.270 Personen befragt wurden – darunter 540 Pädagogen. Deutlich wurde dabei jedoch auch, dass viele Lehrer auch negative Einstellungen aufweisen: Nur 61 Prozent der Lehrkräfte meinen demnach, dass Muslime genauso bildungsorientiert sind wie Nichtmuslime, obwohl die hohen Bildungsaspirationen beispielsweise der türkeistämmigen Familien wissenschaftlich belegt sind. Forscher erklären diese geringeren Erwartungen der Pädagogen an Schüler mit Migrationshintergrund durch Daumenregeln und Glaubenssätze, die jeder Mensch unbewusst verinnerlicht hat. Dazu gehört beispielsweise die Annahme, dass Mädchen schlechter Fußball spielen oder eben auch, dass Schüler aus Migrationsfamilien in der Schule schlechter sind. Viele Lehrer erinnern sich beispielsweise auch an die Ergebnisse der Pisa-Studie. Demnach ist der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund, die schwache Leistungen zeigen, mit 43 Prozent fast 2,5 Mal so hoch wie unter Schülern ohne einen solchen familiären Hintergrund. Meike Bonefeld von der Universität Mannheim sagte daher zur Wochenzeitung Die Zeit: „Solche Ergebnisse haben Lehrer dann im Hinterkopf, wenn sie einen ausländischen Schüler bewerten. Dabei muss der Einzelne ja gar nicht schlecht sein.“ Einschränkend zu den oben genannten Studien meint Cornelia Gresch vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, dass Nachteile in der Bildungsbeteiligung nicht zwangsläufig auf den Migrationshintergrund selbst zurückgeführt werden können. Die Kinder würden oftmals in Familien mit einem niedrigeren sozioökonomischen Hintergrund aufwachsen, den die Lehrkräfte in ihre Bewertung mit einfließen ließen. Dementsprechend sollten Lehrer also auch sensibel für die Leistungen von Kindern sein, deren Eltern keinen hohen formalen Bildungsstand haben.

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Maßnahmen gegen Diskriminierung

Laut der genannten BMI-Studie hängt die Förderung von Kindern und Jugendlichen nicht nur von der Herkunftsfamilie und dem Bildungssystem ab, sondern auch entscheidend von der einzelnen Lehrkraft. Professionell agierende Pädaogen haben das Potenzial, Bildungsungleichheiten zu reduzieren. Wie eine Vodafone-Studie zeigt, fühlen sich jedoch viele Lehrkräfte unzureichend auf eine kulturell vielfältige Schülerschaft vorbereitet. Fortbildungen und Seminare zu dem Thema sind daher ein erster Ansatzpunkt, um sich für das Thema zu sensibilisieren.

Forscher raten Lehrkräften zudem, sich an objektiven Standards zu orientieren und diese bereits im Vorfeld einer Prüfung in einem Leistungshorizont detailliert darzulegen und sich zudem eigener Vorurteile und Stereotype bewusst zu werden.

Wer Schülern bewusst das Gefühl vermittelt,  hohe (jedoch realistische) Erwartungen an sie zu haben, und ihnen zutraut, diese auch zu erfüllen, spornt sie oftmals zu besseren Leistungen an. Wichtig ist dabei jedoch, möglichst subtil zu fördern – andernfalls werden sich die betroffenen Schüler der negativen Stereotype bewusst, die ihnen entgegengebracht werden, und die Maßnahme erzielt einen gegenteiligen Effekt.

Amerikanische Studien zeigen zudem, dass ‚weise‘ Handlungsstrategien (u.a. Interventionen auf Grundlage der Selbstbestätigungstheorie) negativen Vorurteilen entgegenwirken können. Weitere Details dazu werden in der BMI-Studie genannt.

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