Sie leiden unter der Trennung von zuhause, in schwereren Fällen führt Heimweh sogar zu körperlichen Symptomen.
Was können Lehrer und Eltern tun, um die Seelennot von Schülerinnen und Schülern auf Klassenfahrt zu lindern oder sogar zu verhindern? Wir haben einige Ratschläge zusammengestellt.
Was ist Heimweh?
Heimweh ist keine Seltenheit. So schätzte der US-amerikanische Heimwehforscher und Psychologe Christopher Thurber, dass knapp jedes zehnte Kind an Heimweh leidet, wenn es von zuhause getrennt ist.
„Er befragte mehr als 1000 Jungen und Mädchen zwischen acht und 16 Jahren über ihre Erlebnisse im Ferienlager. 90 Prozent davon hatten mindestens einen Tag Heimweh. 20 Prozent beschrieben es als stark. Und sechs bis sieben Prozent schilderten besonders intensive Beschwerden bis hin zu Angstzuständen und Depressionen. Viele der betroffenen Kinder klagten über Kopfschmerzen und Bauchweh, Magen- und Verdauungsbeschwerden.“ -Focus Online: „Ich will wieder nach Hause“, 01.02.2006
Doch woher kommt eigentlich diese seltsame Krankheit „Heimweh“, die vor allem Kinder in der Fremde befällt und sie sich nachhause sehnen lässt? Psychologen und Soziologen haben darauf unterschiedliche Antworten gefunden. Das Kind befinde sich in einem Zustand zwischen Angst und Verlorenheit, weil es aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen wurde. Warum Kinder aber selbst Heimweh empfinden, wenn sie mit Bekannten und Freunden im Schullandheim zusammen sind, manchmal sogar dann, wenn sie sich im Vorfeld noch auf die Klassenfahrt gefreut haben, hängt von vielen individuellen Faktoren ab. Ausschlaggebend ist dabei jedoch immer das schlechte Gefühl des „Ungewohnten“. Manchmal kann das Heimweh während der Klassenfahrt noch verstärkt werden, zum Beispiel durch Müdigkeit oder einen Streit mit befreundeten Mitschülern.
Heimweh-Symptome erkennen
Viele Kinder können mit leichten Formen von Heimweh gut umgehen. Doch gerade, wenn das Kind zum ersten Mal für längere Zeit fern von zuhause ist, kann es zu Stresssymptomen kommen. Deren Ausprägungen hängen von Alter, Umständen und der Persönlichkeit des Kindes ab. In den meisten Fällen äußert sich Heimweh durch
- Traurigkeit, Rückzug, Weinen
- Schlafstörungen
- Kopf- oder Bauchschmerzen, Übelkeit
- Appetitlosigkeit
- Gereiztheit oder Wutausbrüche
In besonders schweren Fällen kann bei Heimweh sogar psychologische Hilfe nötig werden.
Heimweh kann sowohl für das Kind, als auch für Eltern, Lehrkräfte und Mitschüler:innen sehr belastend sein. Doch wie begegnet man dem normalen, nicht therapiebedürftigen Heimweh am besten? Wenn Sie als Eltern und Lehrkraft einige Ratschläge befolgen, können Sie dem Kind helfen, die Klassenfahrten in Zukunft wieder ungetrübt zu genießen.
Tipps für Lehr- und Begleitpersonen
Für Lehrer kann es sehr schwierig sein, ein Kind zu trösten, wenn es einmal auf Klassenfahrt vom Heimweh gepackt wurde. Bereiten Sie sich und Ihre Schüler daher entsprechend auf solche Situationen vor.
1. Gut vorbereiten
Klassenfahrt im Unterricht besprechen
Das beste Mittel gegen Heimweh ist eine intensive Vorbereitung.
Je besser die Kinder wissen, was sie auf der Klassenfahrt erwartet, desto sicherer fühlen sie sich.
Ziele und Programm im Unterricht besprechen
Prospekte oder Bilder zeigen
Über Regeln und Tagesabläufe informieren
Auch das Thema Heimweh offen ansprechen – so wird es enttabuisiert und Kinder können empathisch auf Betroffene reagieren.
So bekommen die Kinder das Gefühl, aktiv an der Planung beteiligt zu sein und sich nicht auf etwas Unvorhersehbares einzulassen.
Lesetipp
2. Vertrauensbasis schaffen
Wenn Sie um heimwehgefährdete Schüler wissen, suchen Sie schon im Vorfeld das gemeinsame Gespräch mit ihnen und ihren Eltern. Das schafft beim Kind Vertrauen zu Ihnen und wird es ihm im Notfall leichter machen, sich mit seinen Ängsten an Sie zu wenden. Bestärken Kinder und Eltern darin, ein Foto der Familie oder ein Kuscheltier von zuhause einzupacken. Solche einfachen Tricks können manchmal schon helfen, das Heimweh auf Klassenfahrten zu lindern.
3. Handyregelungen mit Augenmaß
Ein komplettes Handyverbot kann verhindern, dass Heimweh durch ständige Telefonate verstärkt wird. Gleichzeitig kann ein kontrollierter, kurzer Kontakt nach Hause für manche Kinder sehr beruhigend sein. Ein Kompromiss: In Ausnahmesituationen ein Telefonat über das Lehrer- oder Herbergstelefon ermöglichen.
„Die strenge Regelung macht Sinn. Sie verhindert nicht nur Panikbotschaften der Kinder, sondern hält auch Eltern davon ab, ihre eigenen Ängste auf den Nachwuchs zu übertragen. Eltern senden oft doppelbödige Botschaften aus, erklärt Erzieherin Wiener. Sie wollen ihr Kind zwar zur Selbstständigkeit erziehen, aber gleichzeitig die Kontrolle nicht aufgeben. Das eine geht aber nicht ohne das andere.“ - Focus Online: „Ich will wieder nach Hause“, 01.02.2006
4. Vor Ort einfühlsam begleiten
Wenn ein Schüler oder eine Schülerin tatsächlich einmal Hilfe braucht, können Sie ihm /ihr aktiv dabei helfen, über das Heimweh hinwegzukommen. Suchen Sie in einem vertrauensvollen Rahmen das Gespräch zu dem Kind. Fragen Sie nach, wie groß die Sehnsucht ist, denn Kinder können ihre Not sehr gut selbst einschätzen. Oft helfen schon kleine Veränderungen in der Umgebung, damit sich das Kind wieder wohl fühlt und bleiben möchte. Manchmal kann es auch hilfreich sein, Freunde mit einzubeziehen. Diese können dazu animiert werden, sich gegenseitig noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen oder ein Brettspiel zu spielen.
Nehmen Sia das Heimweh ernst und erklären Sie, dass es etwas Normales ist. Hören Sie zu und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen. Wenn keine Besserung eintritt, ermöglichen Sie ein Telefongespräch mit den Eltern und lassen sie im Notfall sogar zu, dass das Kind nachhause abgeholt wird. Meist ist es für das betroffene Kind jedoch ein Erfolgserlebnis, das Heimweh aus eigener Kraft besiegt zu haben – darin sollten Sie es unterstützen.
Tipps für Eltern
1. Positive Vorbereitung zu Hause
Über den Ablauf und die schönen Programmpunkte sprechen, Fotos vom Zielort anschauen, gemeinsam packen. Die Vorfreude sollte im Vordergrund stehen – nicht die Sorgen.
2. Vertrauen ins Kind und in die Begleitpersonen
Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie zutrauen, die Zeit gut zu meistern. Wenn Sie wissen, dass es zu Heimweh neigt, informieren Sie die Lehr- oder Begleitpersonen vorab, damit diese im Ernstfall unterstützend eingreifen können.
3. Emotionale Verbindung stärken
Ein Kuscheltier, ein kleines Andenken oder eine kurze Notiz können Geborgenheit geben. Lange, gefühlsbetonte Briefe oder ständige Anrufe sind dagegen oft kontraproduktiv.
4. Telefonate bewusst gestalten
Wenn möglich, sollte das Kind selbst anrufen, wenn es möchte – und nicht umgekehrt. Bei Tränen nicht sofort das Abholen anbieten, sondern erst gemeinsam mit den Begleitpersonen nach Lösungen vor Ort suchen.
5. Im Notfall handeln – ohne Drama
Manchmal ist Heimweh so stark, dass nur die Heimreise hilft. Sollte es soweit kommen, machen Sie daraus kein großes Thema. Mit kleinen Übernachtungen bei Freund:innen oder Verwandten lässt sich für die nächste Klassenfahrt üben.
Fazit – Warum Heimweh auch eine wertvolle Erfahrung sein kann
Heimweh fühlt sich in dem Moment schwer und überwältigend an – für das Kind genauso wie für die Erwachsenen, die es begleiten. Man sieht die Tränen, hört die leise oder laute Sehnsucht nach Zuhause, und manchmal bricht es einem das Herz, nicht einfach sofort helfen zu können. Doch genau in dieser Situation steckt eine besondere Chance.
Denn Heimweh ist ein Zeichen für Bindung, für Liebe und für Geborgenheit. Nur wer sich irgendwo wirklich zuhause fühlt, kann es so sehr vermissen. Und genauso ist es eine Einladung, neue Stärke zu entdecken: das eigene Durchhaltevermögen, die Fähigkeit, sich in ungewohnten Situationen zurechtzufinden, und das Vertrauen darauf, dass man schwierige Gefühle überwinden kann.
Für Eltern bedeutet es, loszulassen und zu sehen, wie das eigene Kind einen kleinen, aber bedeutsamen Schritt in Richtung Selbstständigkeit macht. Für Lehr- und Begleitpersonen heißt es, einen sicheren Hafen zu bieten, in dem Kinder sich geborgen fühlen – auch wenn sie fern der Heimat sind.
Und für die Kinder selbst? Oft ist es die Erfahrung, dass das Fremde irgendwann vertraut wird. Dass die Nacht doch vergeht, dass man morgens mit Freund:innen lacht, dass man gemeinsam Abenteuer erlebt – und dass man nach ein paar Tagen stolz und glücklich nach Hause zurückkehrt.
Vielleicht bleibt vom Heimweh am Ende nur noch eine Erinnerung daran, dass man es geschafft hat. Und genau diese Erinnerung kann ein Schatz fürs Leben sein – ein stiller Beweis dafür, dass man wächst, mutiger wird und mehr kann, als man denkt.
Linksammlung
- Mercur.de: „Auf Klassenfahrt: Kindern keinen Brief von Mama mitgeben“, 02.09.2016
- Focus Online: „Ich will wieder nach Hause“, 01.02.2006
- Wührer, Edith: „Heimweh“, Vdm Verlag Dr. Müller, 2010
- urbia.de: „Heimweh: Wenn Ihr Kind nach Hause will“
Bildnachweis
- Titelbild: Mehrbettzimmer/ PLUS Hostels Berlin
- Kinder beim Frühstück: Jugendcamp Grömitz