Extremismus an Schulen und wie Lehrer damit umgehen können

Eine Schülerin, die im T-Shirt einer rechtsradikalen Neonazi-Band zum Unterricht erscheint oder ein Schüler, der Verständnis für islamistische Terroranschläge im Westen zeigt: Lehrer müssen sich heute im Unterricht mit verschiedenen Formen des Extremismus auseinandersetzen.
Eine Schülerin, die im T-Shirt einer rechtsradikalen Neonazi-Band zum Unterricht erscheint oder ein Schüler, der Verständnis für islamistische Terroranschläge im Westen zeigt: Lehrer müssen sich heute im Unterricht mit verschiedenen Formen des Extremismus auseinandersetzen.
Blick von hinten auf eine Klasse im Unterricht in der Schule.
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Beeinflussung von allen Seiten

Schon immer waren idealistische junge Leute offen für Beeinflussung von außen. Dies ist nichts neues. Neu ist dagegen, wie leicht sie über das Internet zu erreichen und damit auch zu beeinflussen sind. So gelang es der Terrormiliz „Islamischer Staat“ sogar aus dem fernen Syrien junge Leute aus Westeuropa anzulocken, die für sie kämpfen wollten. Alleine aus Deutschland reisten rund 800 junge Menschen als IS-Kämpfer nach Syrien und in den Irak, in ganz Westeuropa waren es etwa 3000 Personen. Doch so weit muss man gar nicht schauen: Innerhalb Deutschlands schaffen es Rechtsradikale und Neonazis immer wieder, Jugendliche für ihre kruden rassistischen Thesen zu begeistern.

Beide Seiten – islamistische und rechtsradikale Akteure – bedienen sich dabei der gleichen Stilmittel. Sie suggerieren Jugendlichen, dass sie unverschuldet Opfer seien, die sich jedoch wehren können. Die jeweils andere Seite ist dabei das willkommene Feindbild. Rechtsradikale bauen gerne eine Drohkulisse der „Überfremdung“ auf, Islamisten inszenieren sich als „moralische Instanz“ gegen den verdorbenen Westen. Daneben steigen seit einiger Zeit auch die linksextremistischen Vorfälle wieder stark an. Hier ist es meist das Ohnmachtsgefühl gegenüber dem Kapitalismus, der sozialen Ungerechtigkeit und der fortschreitenden Umweltzerstörung, der junge Leute in den Extremismus abgleiten lässt. Das Feindbild ist hier der Staat mit seinen Strukturen.

Rechtsextremismus an Schulen

Trotz der jahrzehntelangen Aufklärungsarbeit an deutschen Schulen wissen Schüler immer weniger über den zweiten Weltkrieg und die Judenverfolgung. Eine Studie aus dem Jahr 2018 ergab, dass 40 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 34 Jahren nach eigenen Angaben „wenig bis nichts“ über den Holocaust wussten. Parallel dazu gaben 78% von insgesamt 500 befragten Juden an, sie verspürten zunehmenden Antisemitismus im Land. Auch die Islamfeindlichkeit steigt: Im Jahr 2020 registrierten die Behörden mindestens 901 islamfeindliche und antimuslimische Straftaten in Deutschland.

Im Unterricht wird dies jedoch kaum thematisiert. Einige Lehrer ducken sich weg, wenn Schüler rechtsradikale Äußerungen tätigen, weil sie nicht wissen, wie sie mit dem Thema umgehen sollen. Dabei gibt es mittlerweile verschiedene Seminare und andere Fortbildungen rund zum das Thema Antisemitismus und Rechtsradikalität in ganz Deutschland.

Verschiedene Bundesstaaten haben Handreichungen für Lehrer verfasst, darunter der Freistaat Sachsen. Die Broschüre kann direkt hier heruntergeladen werden. Die Broschüre klärt Lehrer beispielsweise darüber auf, wie sie Symbole, Kleidungsstücke, Musik und andere Codes der Neonazis erkennen und wie sie auf rechtsradikale Aussagen reagieren können.

Das Courage Netzwerk

1992 wurde nach den fremdenfeindlichen Anschlägen in Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock der Verein Courage e.V. gegründet, der heute das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ betreibt. Diesem haben sich bereits über 3.000 Schulen in ganz Deutschland angeschlossen. Betreut von Lehrern, Koordinatoren und ehrenamtlichen PatInnen engagieren sich die Schüler in ihren eigenen Schulen gegen Rassismus. Dies umfasst Projekttage, Ausstellungen, Workshops und vieles mehr. Jede Schule kann sich im Netzwerk Courage anmelden. Weitere Informationen und Ansprechpartner bietet die Website.

Daneben kann jede Schule selbst viel dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und den Schülern ein besseres Verständnis für die Vergangenheit zu vermitteln. Dies umfasst beispielsweise Besuche in ehemaligen Konzentrationslagern und Gedenkstätten im Rahmen einer Klassenfahrt oder eines Tagesausflugs, sowie Gespräche mit Zeitzeugen. Innerhalb der Klasse können multikulturelle Projekttage zum Abbau von Vorurteilen beitragen. Schüler unterschiedlicher Herkunft stellen ihre Kultur, Religion und Bräuche vor.

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Linksextremismus an Schulen

Eines der bekanntesten (und oft verfälschten) Zitate des französischen Politikers Georges Clemenceau:

"Wer mit sechzehn kein Anarchist ist, ist ein Idiot. Aber wer es mit 40 noch ist, ist es auch."

Tatsächlich sind Jugendliche oft von Idealismus und dem Glauben an eine bessere Welt geprägt, der jedoch im Laufe der Zeit realistischem Pragmatismus weicht. Dies gilt vor allem für die jugendliche Begeisterung für Sozialismus und Kommunismus als Antwort auf den oft als frustrierend empfundenen Kapitalismus und das mit ihm einhergehende Konkurrenzdenken.

An positivem Engagement für eine bessere Welt wie die friedlichen „Fridays for Future“-Demonstrationen und der gewaltfreie Widerstand zum Beispiel gegen die Rodung von Waldgebieten ist natürlich nichts auszusetzen. Lehrer können Schüler auch durchaus ermutigen, sich kritisch mit der Gegenwart und den Exzessen des Kapitalismus auseinanderzusetzen. Allerdings ist es ein schmaler Grad zwischen Engagement und Extremismus. So verzeichneten die Behörden alleine 2020 einen Anstieg linksextremistischer Gewalttaten um 29% auf insgesamt 9.973 Vorfälle.

Das Scheitern des Sozialismus

Auch hier liegen die Wurzeln natürlich in der Unzufriedenheit mit dem System und den oft als ungerecht empfundenen Chancen im Leben. Dennoch sollte Schülern im Unterricht klar gemacht werden, dass linksextremistische Organisationen wie die Antifa letztendlich genau wie Rechtsextremismus auf anti-demokratische Strukturen abzielen. Als Diskussionsgrundlage für den Schulunterricht eignet sich beispielsweise die Broschüre „Demokratie stärken – Linksextremismus verhindern“ der Zeitbild Stiftung. Hintergrundwissen für Lehrkräfte bietet das Buch „Linksextremismus in Deutschland“ von Armin Pfahl-Traughber, das für die Zentralen der politischen Bildung herausgegeben wurde.

Sehr hilfreich ist in dieser Hinsicht der Geschichtsunterricht mit Blick auf gescheiterte sozialistische Experimente wie die DDR und die Sowjetunion. Klassenfahrten und Tagesausflüge, zum Beispiel zu einer der Stasi-Gedenkstätten wie dem ehemaligen Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen und Gespräche mit Zeitzeugen können hier sinnvoll sein. Im Deutschunterricht kann das Thema „Propaganda“ behandelt werden und die unterschiedliche Berichterstattung von Presse, Polizei und Aktivisten bei linksextremen Protesten. Begleitend dazu eignet sich für die Schüler die Lektüre von George Orwells Dystopie „1984“.

Islamismus an Schulen

Am 16. Oktober 2020 schockierte die kaltblütige Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty die Welt. Er hatte im Unterricht im Rahmen des Themas Meinungsfreiheit die umstrittenen Mohammed-Karikaturen des französischen Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ gezeigt. Ein tragischer Einzelfall? Leider nicht. Immer wieder werden Lehrkräfte, auch in Deutschland, bedroht und unter Druck gesetzt. Der Berliner Tagesspiegel berichtete im November 2020 von einem Vorfall, bei dem ein erst 11-jähriger muslimischer Grundschüler seiner Lehrerin gedroht habe, sie zu enthaupten. Eine Woche zuvor war der Schüler bereits auffällig geworden, weil er nach einer Schweigeminute für Samuel Paty erklärt hatte, „es sei in Ordnung, jemanden zu töten, der den Propheten beleidigt“.

Dem steigenden Islamismus unter Jugendlichen liegen meist die gleichen Mechanismen zugrunde wie der Rechtsradikalität: Junge orientierungslose Menschen suchen nach einem Halt in der Welt. Der rigide Islamismus bietet diese gleich doppelt: Zum einen bieten die strikten Regeln Orientierung in einer Welt, in der scheinbar alles erlaubt ist. Zum anderen kanalisiert er die Unzufriedenheit über die eigene Situation und am eigenen Leib erlebten Rassismus in einen Hass auf den „verdorbenen“ Westen und die oft als „Kartoffeln“ oder „Kaffir“ (Ungläubige) betrachteten „Bio-Deutschen“.

Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus

Anfang 2020 wurde das Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus – kurz KN:IX – gegründet, das auf Präventionsarbeit mit Jugendlichen setzt. Zu diesem Netzwerk gehört auch der Verein Ufuq.de, der sich gezielt an Pädagogen richtet. Er hält eine Fülle verschiedener Handreichungen und Unterrichtsmaterialien zum Download bereit und vermittelt Workshops.

Daneben können Lehrkräfte auch hier in Eigeninitiative viel erreichen. So wurde die Berliner Geschichtslehrerin Sabeth Schmidthals mit dem „German Jewish History Award“ der amerikanischen Obermayer-Stiftung ausgezeichnet. Sie hatte mit Schülern eine Klassenfahrt nach Israel unternommen. Dabei trafen muslimische Schüler erstmals auf Überlebende des Holocausts und konnten Parallelen zwischen ihren Erzählungen und der eigenen Geschichte einer vertriebenen palästinensischen Mitschülerin ziehen. Außerdem erlebten sie hautnah, dass Juden und Araber in Israel friedlich zusammenleben konnten.

Lesetipp

Auch auf Klassenfahrten gilt es kulturelle Gegebenheiten zu beachten, z. B. bei Ernährungsgewohnheiten der Schüler oder beim Besuch von Glaubenshäusern. Dazu haben wir einen lesenswerten Ratgeberbeitrag verfasst.

Meinungsfreiheit im Unterricht schützen

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) fordert unlängst „mehr Rückendeckung für Lehrer“ im Unterricht, doch konkrete Vorschläge blieben aus. Peter Stolz, Vorsitzender des Landesverbandes Berlin des Verbands der Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer Deutschlands (VGD) forderte in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel eine politische Lösung des Problems. Vor allem müssen eindeutige Rechtsgrundlagen definiert werden, auf die sich Lehrkräfte berufen können, so der Autor. Bis dahin fehle Lehrern eine Handhabe, wenn sich Schüler im Unterricht beispielsweise auf Religionsfreiheit berufen und die Worte des Propheten über die deutsche Gesetzgebung stellen.

Auf der anderen Seite gilt jedoch auch: Die Schüler ernst nehmen und respektieren. Einen Denkanstoß dazu liefert Dr. Jochen Müller, Co-Geschäftsführer von ufuq.de, in einem Beitrag zum eingangs genannten Vorfall in Berlin und den Störungen der Gedenkminute für Samuel Paty. Er weist darauf hin, dass viele muslimische Schüler das Gefühl haben, es werde mit zweierlei Maß gemessen. Schließlich gäbe es auch keine Gedenkminute für muslimische Opfer von Neonazis wie in Hanau oder im neuseeländischen Christchurch. Dieses Gefühl könne durchaus eine gute Grundlage für eine Diskussion in der Klasse darstellen.

Lesetipp: Das Dossier „Islam in Deutschland“ des Deutschlandfunk enthält viele lesenswerte Texte, die sich gut als Diskussionsgrundlage im Schulunterricht nutzen lassen.

Sehenswert ist auch ein Beitrag des NDR-Kulturjournals zu diesem Thema:

Weitere Beiträge zur Unterrichtsvorbereitung

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HEROLÉ mit Sitz in Dresden wurde 2002 gegründet und ist heute einer der drei größten Veranstalter von und Spezialist für nachhaltige Klassenfahrten in Deutschland. Dafür sprechen auch über 145.000 Teilnehmer, die jedes Jahr mit HEROLÉ auf Klassenfahrt gegangen sind. Mit der unternehmenseigenen Flotte von 17 modernsten Reisebussen werden über 100 Reiseziele in Deutschland und Europa angesteuert.

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